Zwei Wochen, zwei Kinder, zwei Erwachsene. Wir waren urlaubsreif und haben uns aufgemacht zu neuen Ufern. Genauer gesagt zum Ufer der Nordsee. Unser Gefährt: Ein alter Opel Vivaro mit einem noch älteren Maggiolina Dachzelt. Der Plan: Zwei Wochen an der Nordseeküste entlang fahren, uns treiben lassen und in den Tag hinein leben. Möglichst oft frei stehen und die touristischen Hotspots meiden. Reisezeit: August, also absolute Hochsaison.
Nach einer gut elfstündigen Anreise, inklusive einer pannenbedingten Zwangspause, kamen wir kurz nach Mitternacht in Emden an. Da der vorher ausgeguckte Parkplatz leider abgesperrt wart, schlugen wir das Dachzelt mitten in einem Wohngebiet in einer Sackgasse hinter dem Deich auf. Schnell die Kinder vom Autositz ins Obergesschoss bugsieren und schon waren wir im Land der Träume.
Emden – Warum „Laufen“ zum Reizwort des Urlaubs wurde!“
Morgens weckten uns schon früh ganze Scharen von Zugvögeln. Einige Gänse nahmen auf unserem Dachzelt Platz und schienen die Pause zu genießen. Da wir nicht allzu lange in dem Wohngebiet bleiben wollten, klappten wir das Dachzelt schnell zusammen, packten unseren Frühstücksrucksack und spazierten über den Deich um den Blick auf den Dollart, eine riesige Bucht an der Emsmündung zu genießen.
Ein Stückchen weiter war der große Containerhafen zu sehen. Wir beschlossen also, das Stückchen zu laufen um die großen Schiffe aus der Nähe zu bewundern. So liefen wir mit den Resten unseres Frühstück im Rucksack Kilometer um Kilometer. Der Containerhafen wollte einfach nicht näher kommen. Nach gut zwei Stunden schwante uns, dass wir Städter uns bei der Entfernung VÖLLIG verschätzt hatten. Rechts der endlose Deich, links nur Wasser und ein einziges Windrad. Kein einziger Anhaltspunkt, der uns half , die Strecke einzuschätzen. Aber nach zwei Stunden einfach wieder umdrehen war auch keine Option. Dickköpfig und jammerend liefen die Neonzwerge und wir also bei 33 Grad, mit einer Thermoskanne voll heißem Teewasser und einem angebissenen Apfel weiter.
Ich machs kurz: Wir kamen abends um 19:00 wieder bei unserem Auto an, ich hatte einen deftigen Sonnenbrand aber wir haben ganz sicher Ecken von Emden gesehen, die anderen Touristen verborgen blieben. Knapp 25 km haben wir an diesem Tag zu Fuß zurück gelegt. Ich kann nur eins sagen: Diese Tag war wegweisend für den Rest des Urlaubs. Sobald wir nur von: „Wollen wir noch kurz zum Strand vor laufen?“ gesprochen haben, schrillten bei den Neonzwerge dermaßen die Alarmglocken, dass sie in einen sofortigen Sitzstreik verfielen.
Von Krummhörn nach Wilhelmshaven – die ostfrisische Nordseeküste
Die nächsten Tage tingelten wir also eher gemütlich von von Emden über Krummhörn nach Greetsiel und weiter nach Dornumersiel. Leuchttürme anschauen, auf dem Deich liegen und aufs Wasser gucken oder die Vogelwelt der Salzwiesen beobachten. Jeden Nacht an einem anderen Ort ins Dachzelt krabbeln und morgens eine neuen Ausblick genießen. Einen Abstecher ins Waloseoum, zur Seehundstation und ins Auto-und Spielzeugmuseum haben wir, dank des trüben Wetters, auch gemacht.
Von Dornumersiel aus, ging es dann ein bisschen ins Hinterland, da wir keinen schönen Platz für die Nacht finden konnten und ein Campingplatz wirklich nur eine Notlösung für uns gewesen wäre. Nach einer kurzen Suche wurden wir fündig und konnten das Dachzelt auf einem einsamen Platz zwischen Feldern und Windrädern aufschlagen. Die Jungs gingen mit ihren selbstgebauten Bögen auf „Hasenjagd“ und verbrachten die Stunden bis zum Sonnenuntergang damit, Fallen zu bauen und Zielen zu üben.
Wilhelmshaven – unser Highlight
Nach einer Woche steuerten wir dann Wilhelmshaven an. Wir wollten uns das Marinemuseum anschauen, und dann eigentlich direkt weiter fahren. Aber die Stadt, unser Übernachtungsplatz und die Leute vor Ort haben uns so in ihren Bann gezogen, dass wir doch ein paar Tage geblieben sind. Wir konnten direkt am Jadebusen stehen und den riesigen Öltankern beim Löschen ihrer Ladung zuschauen, wir frühstückten mit Blick aufs Wasser, während die Jungs die Austernschalen sammelten, die die Möwen auf die Steine fallen gelassen haben.
Wir lernten von den Einheimischen, dass wir besser die Finger von den gelben Blumen lassen sollten (Jakobs-Kreuzkaut) und ein alter Mann erzählte den Jungs Geschichten von seiner Zeit bei der Marine. Die Jungs versuchten weiter die zahlreichen Kaninchen zu jagen und schossen einen Pfeil nach dem nächsten in den Sonnernuntergang.
Marinemuseum und Störtebeker-Park
Im Marinemuseum waren wir natürlich trotzdem noch. Einen ganzen Tag und es war absolut grandios. Unfassbar beeindruckend war die Hafenrundfahrt mit einem Kapitän der schneller sprechen als ich denken konnte und der allerhand Geschichten aus der jüngeren Vergangenheit der Wilhelmshavener Marine zu erzählen hatte. Die Neonzwerge entdeckten Ohrenquallen und Krebse im Hafenbecken und staunten über die Enge in den eigentlich riesigen U-Booten.
Einen weiteren Tag verbrachten wir im Störtebeker Park. Ein riesiger, unglaublich liebevoll und vielseitig gestalteter Spielpark, der von benachteiligten jungen Menschen in Stand gehalten wird. Das dahinter stehende, soziale Projekt hat es sich zum Ziel gemacht, diesen Menschen den Weg in die Arbeitswelt zu ebnen und sie für einen Beruf zu qualifizieren. Für die Besucher ist der Eintritt kostenlos und die Neonzwerge waren restlos begeistert – eine fantastische Auszeit für uns Eltern, da man sich im parkeigenen Pfannkuchenhaus eine Thermoskanne Kaffee und natürlich leckere Pfannkuchen kaufen konnte. Ich sags euch: DER PERFEKTE SPIELPLATZ FÜR DIE GANZE FAMILIE!
Von Wilhelmshaven ging es dann weiter nach Bremerhaven. Einen kleinen Abstecher zum schwimmenden Moor in Sehenstedt haben wir uns nicht nehmen lassen. Eine kleine Pause am nahe gelegenen Strand konnten wir auch noch machen und der auffrischende Wind ließ uns die salzigen Wellen nur so um die Füße platschen. Die Jungs waren begeistert.
Bremerhaven – Wie die Stadtwerke uns einen schönen Tag bescherten!
In Bremerhaven angekommen suchten wir uns wieder einen Platz für die Nacht und wurden im Industriehafen fündig. Links wurden die großen Binnenschiffe be- und entladen, rechts hatten wir einen fantastischen Blick auf die Wesermündung. Die Neonzwerge schlossen an diesem Abend schnell Bekanntschaft mit einem unserer seltenen Nachbarn und ließen sich nur zu gerne die spannenden Geschichten eines echten Schiffkenners erzählen. Bevor es ins Bett ging wurde im alten Bulli noch ein bissschen auf der Ukulele gespielt und die Jungs lauschten den Klängen von „Puff the magic dragon“. Einer der absolut romantischsten Momente des ganzen Urlaubs.
Am nächsten Tag wollten wir unbedingt das Klimahaus besuchen und so fuhren wir schon morgens los Richtung Havenwelten. Schnell blieben die Jungs an einer Hüpfburg hängen, die zu einem Kinderfest der Stadtwerke Bremerhaven gehörte. Das fantastische Fest rund ums Thema Wasser ließ uns auch den Rest des Tages nicht mehr los und es wurde schnell umdisponiert. Statt Klimahaus schürften die Jungs Gold, bauten ihre eigenen Holz-Katamarane und ließen sich von einem Zauberer in magische Welten entführen. Ein rundherum ungeplant fantastischer Tag, der Abends wieder im Industriehafen endete.
Einmal um die Welt an einem Tag – Das Klimahaus
Das Klimahaus haben wir am nächsten Tag doch noch besucht. Die Meinungen gingen allerdings auseinander. Während mein Mann es „Effekthascherei“ nennt, fand ich es wirklich spannend. Wir reisten durch alle Kontinente , erlebten die verschiedenen Klimazonen und besuchten neun verschiedene Länder. Die so wunderbar unterschiedlichen Bildwelten fand ich wirklich beeindruckend und auch die Kinder erzählen noch viel von „ihrer Weltreise“.
Vier Tage lagen nun also noch vor uns und wir wollten noch ein kleines Stückchen weiter Richtung Norden. Also machten wir uns wieder auf und fuhren weiter an der Küste entlang. In Wremen machten wir einen kleinen Abstecher zum alten Kutterhafen und gönnten uns einen kleinen Imbiss. Die Nacht verbrachten wir schließlich in Cuxhaven, nur wenige Minuten von der beeindruckenden Kugelbake an der Spitze der Stadt entfernt. Da der Tag schon fast zu Ende und das Wetter reichlich trüb war, stiegen wir zeitig ins Dachzelt und hörten gemeinsam noch ein paar „Fünf Freunde“ Geschichten.
Schlammschlacht in Cuxhaven
Der nächste Morgen begann zu unserer großen Freunde mit viel Sonnenschein und so besuchten wir den Zoo im Kurpark, den großen Spielplatz und die Kugelbarke. Die Neonzwerge suchten zwischen den großen Steinen nach Krebsen und Muscheln und wir genossen einfach nur den Blick aufs Wasser. Das Wetter wurde immer besser und die Jungs wollten noch ein bisschen ins Watt. Dass das Wort trotz Nordseeurlaub hier zum ersten Mal fällt, hat vor allem wettertechnische Gründe. Da die Sonne sich nun aber von ihrer besten Seite zeigte, stand der Schlammschlacht nichts mehr im Weg und die Jungs stiefelten stundenlang durch den schwarzen Schlick. Wattwürmer, Krebse, laufende Muscheln und natürlich jede Menge Algen wurde genau unter die Lupe genommen. Ein großartiger Spaß.
Nach dem Abduschen fing es wieder an zu regnen und wir beschlossen, dass eher touristische Cuxhaven zu verlassen. Die nächste Fahrt führte uns zur Dicken Berta, einem kleinen Leuchtturm. Wir spazierten auf dem Deich entlang, durchquerten riesige Schafherden und landeten schließlich an einem ziemlich netten Spielplatz, von dem man die größten Containerschiffe der Welt bei ihrer Einfahrt in die Elbe beobachten kann. Bis zu 20.000 Container auf rund 400m langen, riesigen schwimmenden Stahlkähnen. Vier aneinandergereihte Fußballfelder, vollgepackt mit den Konsumgütern die wir Tag füh Tag verbrauchen. Technisch beeindruckend, global betrachtet mehr als erschreckend.
Im Sonnenuntergang liefen wir wiede zurück zum Auto, kurbelten das Dachzelt hoch und schlüpften nach einer kleinen Katzenwäsche in unsere kuscheligen Schlafsäcke.
Abschied von der Nordseeküste
Den letzten Tag an der Küste verbrachten wir in Otterndorf. Die Spielscheune versprach uns entspannte Stunden, auch bei schlechtem Wetter. Die Kinder wollten toben und wir wollten gemütlich einen Kaffee trinken. Der Plan ging auf, auch wenn die Spielscheune sicher nicht zu den schönsten Indoorspielplätzen zählt, die wir bisher gesehen haben.
Nach einem actionreichen Vormittag zeigte sich draußen wieder die Sonne und wir nutzten die Gelegenheit für ein letztes Picknick am Wasser. Abends machten wir uns noch auf den Weg nach Bremen, wir wollten noch ins Universium und die Neonzwerge hatten noch einen Schwimmbadbesuch auf ihrer „Urlaubs-Bucket-List“.
Bremen und das Universium
Da uns die Schwimmbäder in Bremen nicht besonders attraktiv erschienen, fuhren wir am vorletzten Urlaubstag dann kurzerhand in die GraftTherme nach Delmenhorst. Die Jungs waren zufrieden und wir auch. Schwimmbadbesuch also abgehakt.
Unser allerletzter Urlaubstag sollte mit einem Besuch im Universium Bremen gekrönt werden. Schon der Anblick des Gebäudes versetzte die Neonzwerge in ungläubiges Staunen. „Eine magische Miesmuschel!“ raunten sich die beiden zu. Als sie dann auch noch vor Eintritt in das Naturwissenschaftliche Experimentiermuseum ein ganzes Auto in Lebensgröße ALLEINE hochheben konnten, wussten wir, dass wir hier goldrichtig sind. Im Inneren der Miesmuscheln bauten die Jungs Vulkane, erlebten ein Erdbeben, setzten dichte Nebelschwaden in Bewegung und erzeugten echte Blitze. Im wunderbar aufregenden Außenbereich wurden dann zum Abschluss noch Wasserbahnen aus langen Rohren, Gießkannen und riesigen Bottichen gebaut.
Am Ende des Tages waren die Neonzwerge zwar nass bis auf die Knochen, aber auch genauso müde und bereit für die lange Heimfahrt. Die dauerte dann dank Pannenfreiheit auch nur neun Stunden und, wie auch bei der Hinfahrt, fielen wir kurz nach Mitternacht erschöpft in unsere Betten.
Fazit
Der Urlaub war wunderbar – wir sind uns sicher, unsere Art zu Reisen gefunden zu haben. Wir lieben es, gemeinsam neue Plätze zu entdecken und uns abends in unser gemütliches Schneckenhaus auf dem Autodach zu verkriechen. Wir lieben den Ausblick von dort oben und können uns nichts schöneres vorstellen, als die letzten Stunden vor dem Schlafengehen an der frischen Luft zu verbringen. Morgens von den ersten Sonnenstrahlen (oder schnatternden Wildgänsen auf dem Dach) geweckt zu werden – für uns gibt es nichts Besseres.
Eigentlich sind wir fest davon ausgegangen, dass wir in der Hauptsaison keine Plätze finden werden auf denen wir für einen Nacht frei stehen können. Aber es hat geklappt, wir musste in den ganzen zwei Wochen nicht einmal auf einen Campingplatz oder einen offiziellen Stellplatz ausweichen. Wir haben super schöne Plätze für uns entdeckt und haben an manchen Tagen kaum eine Menschenseele gesehen.
Wir durften neben einer Weide übernachten und morgens, noch im Schlafsack liegend, den Kühen beim Grasen zuschauen, wir sind spannenden Leuten begegnet, die uns und vor allem die Kinder mit ihren Geschichten beeindruckt haben und wir sind als Familie wieder ein ganzes Stück zusammen gerückt. Und das war auch dringend nötig nach unserem Schleudergang der letzten Monate. Eins steht schon jetzt fest: Nächstes Jahr machen wir genau da weiter, wo wir dieses Jahr aufgehört haben und ganz bestimmt berichten wir euch dann von einem fantastischen Dachzeltabenteuer an der Ostsee. 😉
Klingt nach wunderbarem Urlaub mit Kindern, für Kinder und entspannte Eltern. Ohne Druck, ohne Konventionen, aber mit viel Spaß, Abenteuer, Entdeckungen und Melancholie und dazu noch ohne touristisches Mammutprogramm. So wie Urlaub sein soll – treiben lassen.