Ich hab da mal was beobachtet…

…und muss jedes mal kräftig schlucken, wenn ich diesen Satz auf anderen Blogs lese. Denn in den meisten Fällen beginnen genau SO Artikel, die im Verlauf zu moralisierenden Standpauken für vermeintlich unfähige Eltern werden. Mit einer massiven Negativ-Wertung, die oft, aus einer nur wenige Augenblicke dauernden Situation entsteht. Und im Grunde geht es immer nur darum, dass andere Eltern (meistens Mütter) ihre Sache definitiv schlechter machen als der Beobachter selbst.

Mich ärgert das. Denn viele dieser „beobachteten Mütter“ befinden sich in Stresssituationen. Vielleicht hat das Baby den ganzen Tag geschrien und nun nimmt auch noch das Kleinkind den Supermarkt auseinander.

Ich kenne das von mir auch. Ich habe viel zu erledigen. Muss gefühlte tausend Sachen unter einen viel zu kleinen Hut bringen und gleichzeitig irgendwie den Bedürfnissen verschiedener Lebewesen gerecht werden. Der Hund muss dringend raus, der Kleine ist müde und sollte am besten schnell ins Bett und der Große findet, dass wir JETZT zusammen mit den Matchbox Autos spielen sollten. Auf dem Schreibtisch liegen die Steuerunterlagen und ein Auftrag will noch abgearbeitet werden. Die Wäsche türmt sich und der Boden klebt. Da kann es vorkommen, dass die Nerven blank liegen – und ich mit meinem Dauergenöle meinem Kleinkind Konkurrenz mache. An manchen Tagen kann ich mir selbst nicht zuhören und ich weiß, dass meine Reaktion völlig daneben, nicht fair und überhaupt nicht geduldig oder  liebevoll ist.

Ich motze und maule und bin kein bisschen besser als ein Dreijähriger in der Trotzphase.

 

„Zieh jetzt deine Schuhe an!“

„Mama, ich will aber noch….“

„ZIEH jetzt deine Schuhe an!“

„Nur noch kurz….!“

„ICH GEH JETZT!“

Falsch? Ach echt? Ja, jetzt wo ich da so stehe und das beobachte…!

Klar weiß ich, dass das so nicht gerade der pädagogische Königsweg ist. Und doch – in manchen Situationen geht es nicht kann ich nicht anders. Und ich wäre froh, wenn dann jemand da wäre, der mir eine Tasse Tee bringt oder meinem Kind die Schuhe anzieht. Jemand der sieht, dass ich es gerade nicht schaffe. Jemand der sieht, dass ich müde bin. Jemand der sieht, dass es jetzt gerade, in genau dieser einen kleinen Situation zu viel geworden ist. Und wisst ihr was: Ein Tee bewirkt Wunder! Fünf Minuten für mich, Zeit auszusteigen umd danach wieder fröhlich, freundlich und zugewandt zu sein. DAS ist es, was wirklich hilft. Nicht jemand, der da steht, beobachtet und hinterher einen schlauen Blogartikel darüber schreibt.

 

 

Ich bekomme die Krise, wenn ich auf Blogs solche Verurteilungen lese – Verurteilungen die sich auf Beobachtungen stützen und daraus schließen, dass die Kinder dieser Mütter es furchtbar schlecht haben müssen und die pädagogische Kompetenz der aktuellen Elterngeneration den Untergang des Abendlandes einläutet.

 

„Schau mal, das Baby im Kinderwagen schreit! Kein Wunder, es wird ja auch nicht getragen!“

„Schau mal, das Baby da in der Trage weint! Kein Wunder, die Mutter hat es in einen Babybjörn gepackt!“

„Schau mal, das Baby im Tuch weint! Kein Wunder, das ist ja auch wirklich furchtbar gebunden!“

 

Man kann es den fleißigen Beobachtern nicht recht machen. Man hat keine Chance. Und wer weiß, vielleicht steht schon morgen auf irgendeinem Blog ein spannender Artikel über mich (oder dich!). The Bloggers are watching you!

Vielleicht, ganz vielleicht könnten die werten Beobachter ja genau den wertschätzenden und liebevollen Blick, den sie immer und jederzeit auf ihren eigenen Nachwuchs haben, mal auf andere Eltern richten. Attachtment Parenting würde auch uns Eltern gut tun – Respekt, Zutrauen, Wertschätzung! Wir können das!

 

 

 

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